07.06.2016
Angst vor dem Karrieretod besteht weiter
Über 50 Prozent der deutschen Männer würde gerne in Teilzeit arbeiten. Nur die Wenigsten tun es. Sascha Schmidt Karriere- und Personalberater aus München weiß wieso.
Das tradierte Rollenbild des Mannes will in der postindustriellen Gesellschaft nicht mehr passen. Gibt es überhaupt noch den typischen Mann in der heutigen Zeit?
Ich beobachte im Berufs- und Familienleben das Aufbrechen von alten Klischees und Rollenbildern. Das befreit uns Männer auf der einen Seite und auf der anderen Seite müssen wir einen neuen Standpunkt finden. Jeder für sich, denn es fehlen die Vorbilder. Die meisten unserer Väter haben sich als Familienernährer definiert und klassisch Karriere gemacht. Da ging es um Macht, Verantwortung, Geld und Statussymbole. Heute gibt es ein Bewusstsein dafür, dass dies nicht alles gewesen sein kann. Themen wie Elternzeit, flexible Arbeitszeiten, respektvolle Führung, Selbstverwirklichung stehen zusätzlich auf der Agenda. Wenn Sie so wollen, befindet sich der typische Mann heute in dem Dilemma oder in der Chance, hier den eigenen Weg zu gehen.
Welche Bedeutung spielt bei der Rollenfindung für junge Väter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Hier erleben wir viel Widersprüchliches. Auf der einen Seite wollen junge Väter verstärkt für ihre Kinder da sein. Auf der anderen Seite kommen Studien immer wieder zum dem ernüchternden Fakt, dass Väter kaum in Teilzeit gehen oder sonstige Angebote über die zwei Monate Elternzeit hinaus in Anspruch nehmen. Die Angst vor dem Karrieretod durch Teilzeit ist weiterhin allgegenwärtig. Und doch ist der Wunsch da. Laut einer aktuellen Studie von Volker Baisch (Väter gGmbH) würden gerne deutlich über 50 Prozent aller Väter in Teilzeit arbeiten.
Oft wollen beide – Mann und Frau – im Berufs- und im Familienleben erfolgreich sein. Wie kann das funktionieren?
Das kann nur funktionieren, wenn beide es wirklich wollen. Das ist eine persönliche Entscheidung, die jeder nur auf Basis seiner eigenen Biographie, Lebensentwürfe und Wertvorstellungen treffen kann. Wichtig ist, dass beide für sich definieren: Was für eine Karriere will ich machen und was für eine Mutter beziehungsweise für ein Vater möchte ich sein? Die Antworten darauf können zu Konflikten führen. Wie die Lösung aussieht, ist von Paar zu Paar verschieden. Fakt ist, dass der Übergang vom Paar zur Familie ein Knackpunkt ist. Plötzlich sind beide zeitgleich Mutter und Vater und Frau und Mann sowie zusätzlich in der jeweiligen Rolle im Job. Die Gefahr besteht, dass sich Mann und Frau dabei aus den Augen verlieren, während man die Eltern- und Berufsrolle ausfüllt.
Sie haben in einem Interview väterbewusste Personalpolitik als „absolutes Nischenthema“ bezeichnet. Andererseits schreiben sich viele Unternehmen angesichts fehlender Fachkräfte die Familienpolitik groß auf die Fahnen. Wie passt das zusammen?
Es gibt einen Trend, sich als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren zu lassen. Provokant gesagt kann man sich dann ein Siegel auf die Fahnen kleben und damit hat sich das Engagement des Unternehmens erübrigt. Ich höre öfters von Personalern, dass nach der Zertifizierung das Budget für familienbewusste Personalpolitik gleich null ist. Wie ein Siegel dann im Unternehmen gelebt wird, hängt von der Unternehmenskultur ab. Die besteht aber seit längerem und wird nicht durch eine Zertifizierung von heute auf morgen geändert. Innerhalb von familienbewusster Personalarbeit sind Väter dann eine Randgruppe. Ein Geschäftsführer sagte zu mir: „Wieso soll ich meine Männer auch noch ermuntern, nicht mehr zur Arbeit zu kommen?“ Das ist kein Einzelfall. Da wird noch eine Generation an Vätern arbeiten müssen, bevor sich das Bild ändert.
Was müssen Unternehmen jungen Vätern oder denen, die es werden wollen, bieten, wenn sie sie als Arbeitskraft gewinnen wollen?
Sie müssen lernen, zuzuhören. Das ist neu für Unternehmen. Aber die Generation Y formuliert selbstbewusst, wie sie sich das Arbeiten vorstellt. Mein Tipp ist daher: Hört zu und sprecht aktiv mit den jungen Vätern, was sie sich wünschen. Und schaut dann, was davon umsetzbar ist. Eigentlich ganz einfach. Nur rüttelt das an alten Strukturen, Denkbildern und manchmal an der Macht von Chefs. Das ist unbequem und wird daher nicht gemacht. Unternehmen sollten konkret weg von einer Anwesenheitskultur hin zu einer Ergebniskultur gehen. Mit flexiblen Arbeitszeiten sowie Home Office ist schon viel gewonnen bei jungen Eltern. Wenn zusätzlich die Führungskultur Familienfreundlichkeit ausdrücklich mitträgt, ist ein Unternehmen gut positioniert im Wettkampf um Talente.
Reichen die Rahmenbedingungen, die unsere Gesellschaft jungen Familien heute bietet, für eine moderne Berufsplanung aus oder wie sollten sie verändert werden?
Die Entscheidung, wie Beruf und Familie vereinbart werden, ist zuallererst eine Entscheidung der Eltern – die dann im Idealfall unterstützt werden von Unternehmen und einer Kommune, die qualifizierte Betreuungsangebote bietet. Nur ein Punkt ärgert mich: In der gesamten Diskussion über Beruf und Familie lassen wir gerne den Blickwinkel der Kinder außen vor. Die Wirtschaft hat ein Interesse, dass qualifizierte Mütter und Väter weiter arbeiten; der Staat hat seine Interessen, wieso er Programme fördert. Wir Eltern sollten die Stimme für unsere Kinder sein. Was ist uns wichtig bei der externen Betreuung? Welche pädagogischen Qualitäten erwarten wir von Krippe, Kita und Schule? Nicht der Arbeitgeber oder der Staat weiß, was unserem Kind gut tut. Wir Eltern sind am nächsten dran. Das sollten wir nicht vergessen!
Fragen: Michael Schnurr