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06.03.2021

Der Digitalisierungsschub eröffnet viele Chancen

Anke Schellenberger ist seit fünf Jahren Director of Human Resources im SÜDKURIER Medienhaus. Die Juristin gestaltet seither zusammen mit ihrem Team und mehr als 800 Mitarbeitern die Digitalisierung und Transformation des Konstanzer Traditionsunternehmens. | Bild: SÜDKURIER

Frau Schellenberger, die Arbeitswelt verändert sich wegen der Corona-Pandemie spürbar. Wie erleben Sie diesen Wandel?

Ich beobachte gerade, dass bei allem Negativen, das uns die Pandemie gebracht hat, sie auch positive Entwicklungen angestoßen hat. So führt sie in der Arbeitswelt seit Monaten zu einem Schub der Digitalisierung. Viele Prozesse, die wir und andere Unternehmen schon lange ins Auge gefasst hatten, wurden beschleunigt. Ich denke da zum Beispiel an eine Arbeitswelt, die sowohl Präsenz im Büro als auch mobiles Arbeiten ermöglicht.

Worin unterscheidet sich dieses mobile Arbeiten vom Homeoffice?

So, wie wir mobiles Arbeiten verstehen, ist das Homeoffice nur eine von mehreren Möglichkeiten. Denn beim mobilen Arbeiten entscheidet der Arbeitnehmer, wo er arbeiten möchte. Das Zuhause ist eine Option, aber er kann dafür auch sein Büro oder einen Co-Working-Space-Platz nutzen. Ziel ist es, dass der Mitarbeiter dort arbeitet, wo es aus seiner Sicht am besten ist; das kann auch auf einer Wiese oder mitten im Wald sein. Hier ist es die Aufgabe von HR zu prüfen, welche Lösungen für wechselnde Arbeitsorte umsetzbar sind. Es braucht Hybrid-Modelle, in denen der kreative Austausch im Betrieb nicht zu kurz kommt und die gleichzeitig Planbarkeit für den Arbeitgeber schaffen. Dabei wollen wir ihnen möglichst viel Freiraum zugestehen – zum Beispiel für die Kinderbetreuung. Das Ausbalancieren der Work-Life-Balance ist dabei allerdings eine Herausforderung.

Kehren wir nach Corona alle wieder ins Büro zurück?

Nein, das denke ich nicht. Die Bürowelt hat sich bereits verändert und es gibt keinen Grund, wieder komplett zum Alten zurückzukehren. Die jetzt gesammelten Erfahrungen zeigen, dass das in unsere Mitarbeiter gesetzte Vertrauen mehr als gerechtfertigt war. Kulturseitig wollen wir hier am Ball bleiben, um die neuen Errungenschaften der Digitalisierung fest zu verankern. Daneben werden wir mehr Räume brauchen, in denen Mitarbeiter sich begegnen können, um miteinander kreativ und innovativ zu arbeiten. Wir werden diese Begegnungsstätten genauso brauchen wie Rückzugsorte, an denen man ungestört arbeiten kann. Mehrere Arbeitgeber wie zum Beispiel Google oder Microsoft haben diese Möglichkeiten bereits geschaffen und bieten ihren Mitarbeitern ganz unterschiedliche Arbeitsplätze an – je nach deren Bedürfnis und Anforderung an die Arbeit.

Was ist dabei die größte Herausforderung?

Regelmäßigen Austausch zu ermöglichen und die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen aufrechtzuerhalten sind hierbei große Herausforderungen. Einen Weg hierzu sehe ich darin, Büroräume zu schaffen, in denen sich Menschen wohl fühlen und wo sie entsprechend gern arbeiten. Wenn jeder dank mobilem Arbeiten frei entscheidet, wo er seinen Rechner hochfährt, braucht es einen attraktiven Reiz, damit er sich für die Unternehmensräume entscheidet.

Weiterhin schätzen Mitarbeiter es sehr, wenn sie über Ziele geführt werden und darüber ihre Wertschätzung erfahren. In der Pandemie sind wir zu unserem Glück quasi etwas gezwungen worden. Die Mitarbeiter haben gezeigt, dass sie das Vertrauen rechtfertigen. Die Herausforderung für die Führungskräfte besteht darin, dass wir die guten, veränderten Arbeitsweisen beibehalten. Denn zurück zur alten Kontrolle und Überwachung möchte niemand. Das Führen über Ziele erfordert, dass Führungskräfte Teile ihrer Verantwortung zunehmend an ihre Teammitglieder abgeben, um somit deren Eigenständigkeit und Engagement zu fördern.

 Worin kann dieser Anreiz bestehen?

Mir fallen da unter anderem die Begegnungen ein, die über das Arbeiten hinaus gehen. Der soziale Austausch mit den Kollegen – und sei es nur bei einem kurzen Treffen an der Kaffeemaschine – ist wertvoll. Das ist es, was vielen bei mobilem Arbeiten heute so fehlt: der persönliche Austausch von Mensch zu Mensch.

Gibt es Herausforderungen, mit denen speziell Personalabteilungen konfrontiert sind?

Auf jeden Fall! Bei Personalangelegenheiten müssen wir mit der Digitalisierung sehr sensibel umgehen, zum Beispiel bei der Gehaltsabrechnung oder Informationsschreiben. Wir müssen aktuell noch kreativer sein, wenn es darum geht, wie wir das Recruiting von neuen Mitarbeitern angehen. Wir machen uns intensiv Gedanken darüber, wie wir zum Beispiel Telefoninterviews und virtuelle Assessment Center spannender gestalten können. Aber wir sind ja auch für die Mitarbeiter zuständig, die bereits im Unternehmen sind. Hier ist eine Herausforderung, Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, wie in der virtuellen Welt Co-Working und Teamarbeit gelebt werden kann.

Warum lohnt sich dieser Aufwand?

Der Digitalisierungsschub eröffnet viele Chancen. Grade, wenn ich an die berufstätigen Mütter denke, kann ich mir gut vorstellen, dass sie künftig schneller und unkomplizierter wieder in den Beruf zurückkehren können, wenn sie die Wahl haben, mobil zu arbeiten. Dies bedingt auch, dass wir in Zukunft flexibler in Bezug auf die Einteilung der Arbeitszeit werden, bei gleichzeitiger Verfügbarkeit zu den erforderlichen Zeiten. Aber wenn wir die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit noch weiter erhöhen, haben wir die Chance, motivierte und engagierte Mitarbeiter zu beschäftigen und eine gute Atmosphäre im Unternehmen zu wahren.

VON HEIKE THISSEN

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