07.06.2016
„Ein Job muss heute Sinn vermitteln“
Philipp Riederle ist mit 19 Jahren Unternehmensberater. Ein Gespräch über seine Generation und die Suche der Wirtschaft nach Nachwuchskräften.
Herr Riederle, so jung Unternehmensberater sein, was ist das für ein Gefühl?
Es ist ein sehr gutes Gefühl. Ich genieße dieses Privileg. Es ist schon eine ziemlich außergewöhnliche Situation, wenn ich mir vorstelle, dass mir sehr einflussreiche und hochintelligente Menschen in hohen Unternehmenspositionen zuhören und vertrauen. Ich habe viel Spaß bei meiner Arbeit. Und trotzdem muss ich hin und wieder darüber schmunzeln.
Haben Sie denn das Gefühl, ernst genommen zu werden?
Absolut. Denn ich mache das ja seit über vier Jahren. Zunächst sind die Menschen kritisch, aber sie merken schnell, dass das, was ich erzähle, momentan eine ganz große Relevanz hat. Und dass ich mich in den Bereichen Online und Digitales tatsächlich auskenne.
Wie ist denn die Idee dazu entstanden?
Das hat sich so ergeben. Ich habe 2008 angefangen aus Spaß zu podcasten und war damit sehr erfolgreich. 2010 hat dann ein Unternehmen angerufen und gefragt, wie ich es eigentlich schaffe, mit meinen Videos so viele Hunderttausend Menschen zu erreichen und warum sie sich damit so schwer tun. Und das war meine erste Einladung als Berater in ein klassisches Unternehmen. Ich bin dann immer weiterempfohlen worden und so hat sich das inzwischen zu einer Vollzeittätigkeit entwickelt. Als im vergangenen Jahr mein erstes Buch erschien, erzeugte dies natürlich auch viel Aufmerksamkeit, zumal es gleich einige Wochen auf den Bestsellerlisten stand.
Wovon handelt Ihr Buch?
Von meiner Generation. Das Buch heißt „Wer wir sind und was wir wollen“. Und darum geht es: Wie wir als Generation ticken und wie sich Veränderungen auf die verschiedenen Lebensbereiche auswirken.
Sie sprechen von „wir“ und „uns“ – Welche Generation repräsentieren Sie?
Ich spreche von der Generation der Digital Natives. Damit sind die zwischen 1985 und 2005 Geborenen gemeint, weil sie alle mit den Gegebenheiten der digitalen Welt aufgewachsen sind. Manche leben das extremer als andere, aber die Tendenz ist dieselbe. Übrigens habe ich gar nicht den Anspruch, dass ich als Person eine ganze Generation repräsentiere. Das kann ich nicht. Was ich über meine Generation erzähle, habe ich neben eigenen Beobachtungen durch Kontakte zu Wissenschaftlern und Forschern und in Zusammenarbeit mit Unternehmen zusammengetragen.
Welche Kriterien sollte der ideale Job für diese Generation erfüllen?
Das ist eine sehr individuelle Frage, die von dem jeweiligen Tätigkeitsbereich abhängig ist. Was man grundsätzlich sagen kann, ist, dass sich zwischen den Generationen vor allem die Werte verschoben haben. Die Hauptbeweggründe zu arbeiten waren bei der Generation meiner Eltern: Geld, Status und Macht. Bei meiner Generation sind diese drei Werte auf die letzten drei Plätze gerutscht. Wir sagen, wir brauchen einen Job, der uns Sinnhaftigkeit vermittelt, der unsere Augen zum Funkeln bringt. Einen Job, in dem wir uns selbst verwirklichen können und wo das Arbeitsumfeld passt. Das sind unsere Hauptbeweggründe.
Und das Geld spielt keine Rolle mehr?
Geld verdienen ist uns natürlich nicht ganz egal, aber wir halten es für selbstverständlich, dass wir fair entlohnt werden. Wenn wir aber unterschiedliche Angebote haben, dann wählen wir als Generation zum Beispiel nicht das Angebot mit dem meisten Geld, sondern verzichten lieber auf ein paar Hundert Euro im Monat oder ein paar Tausend im Jahr und machen den Job, der unsere Augen zum Funkeln bringt.
Was machen Unternehmen denn aus Ihrer Sicht bei der Suche nach Nachwuchs falsch?
Viele Menschen haben noch nicht mitbekommen, dass es einen Wandel gibt. Unsere Generation geht mit völlig anderen Ansprüchen an das Thema Arbeitsleben ran als die Generationen vorher.
Woher kommen diese Ansprüche?
Wir sind mit anderen Möglichkeiten aufgewachsen, wie wir uns informieren und kommunizieren können. Wir sind in einem anderen Wohlstandsniveau aufgewachsen, sind zum Beispiel schon die dritte Generation nach dem Zweiten Weltkrieg.
Wie wirken sich die neuen Werte auf den Arbeitsalltag aus?
Unserer Generation ist beispielsweise wie keiner Generation zuvor eine Feedback- und Fehlerkultur enorm wichtig. Auch haben wir eine sehr viel größere Freiheit im Kopf. Das bedeutet, wenn uns irgendwo etwas nicht passt, dann gehen wir eher wieder. Wir akzeptieren auch keine Autoritäten mehr, die sich nur über ihren Status rechtfertigen. Uns kommt es darauf an, wie Arbeit organisiert wird. Streng hierarchisch – oder so, dass jeder seine Kompetenzen und Erfahrungen auch einbringen kann. Sich nicht auf diese Veränderungen einzustellen, ist ein großer Fehler. Denn allein vergangenes Jahr sind in Gesamtdeutschland 80 000 Lehrstellen unbesetzt geblieben und wir als Generation machen in 20 Jahren etwa 70 Prozent aller Arbeitnehmer aus.
Fragen: Beate Pundt