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13.02.2021

Geschlechterfragen in Stellenanzeigen - „Das Thema nimmt jetzt erst Fahrt auf“

Simone Burel gründete 2015 die LUB GmbH. Die Abkürzung steht für Linguistische Unternehmensberatung. Es ist die erste in Deutschland. Simone Burel ist überdies promovierte Wissenschaftlerin, Autorin („Female Leadership“) und Beirätin. Im Interview sagt sie, was Stellenanzeigen und die Sprache der Führungskräfte über Organisationen verraten – nicht zuletzt in Genderfragen. | Bild: LUB

Frau Burel, seit 2019 sind Unternehmen verpflichtet, Jobinserate genderneutral zu formulieren. Was verraten Stelleninserate über die Haltung in Geschlechterfragen, was Unternehmen selbst nicht bewusst ist?

Ganz viele Organisationen haben noch nicht verstanden, dass Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr zu ihnen hochschauen und für ein Jobangebot dankbar sein müssen. Das sieht man daran, dass Organisationen in der Anzeige sich in den Mittelpunkt stellen anstatt die Vorteile der Person durch die Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen. Dieses Hierarchieverständnis spiegelt sich auch in einer formalistischen Sprache, die durchtränkt ist von juristischen Fachbegriffen wie „Bewerbungsvoraussetzungen“. Das Siezen gehört ebenfalls dazu. Meine Prognose: Verstärkt durch den Einfluss der englischen Sprache und sozialer Netzwerke wird das „Sie“ in den nächsten fünf Jahren dem „Du“ weichen.

In der Sprache verbergen sich auch viele geschlechtertypische Bilder. Was gilt als männlich, was weiblich?

Es geht hier natürlich immer nur um Tendenzen. Eher weibliche Begriffe sind sogenannte kommunale Wörter, die auf Gemeinschaft anspielen: „gemeinsam“, „Team“, „loyal“ etc.. Eher männliche Wörter sind agentiv, subjektorientiert: „analytisch“, „Führung“, auch „international“ sind Beispiele dafür. Ebenso gut erforscht ist der Umstand, dass Frauen sich eher bewerben, wenn die Anforderungsliste moderat gehalten ist und dass sie sich eher bei einer Passung von 70% bewerben, Männer aber schon bei 30%. Wer Frauen ansprechen will, sollte also statt „sehr guten“ Fremdsprachenkenntnissen nur „gute“ verlangen. Und, ganz spannend: Frauen finden es besser, wenn am Ende einer Anzeige ein konkreter Ansprechpartner steht, Männern ist es egal. Generell nimmt das Thema gendergerechte Sprache aber erst jetzt wirklich Fahrt auf. Und im Geschäftsbericht, der Königsdisziplin der Kommunikation, ist das konsequente Gendern bislang die absolute Ausnahme.

„Sprachgesundheit und Führung“ ist ein weiteres Thema ihrer Beratung. Was verbirgt sich dahinter?

Gesund ist eine Sprache, die von positiv besetzten Wörtern lebt, die ungesunde ist eher angstbesetzt, was sich unter anderem in Negationen zeigt: „Da sind wir noch nicht sprechfähig“ „Da möchte ich mich nicht festlegen“. Führungskräfte sollten außerdem versuchen, nicht nur von Risiken oder Widerständen zu sprechen und weniger Kriegsmetaphern wie „an der Front“ zu verwenden. Gerade in der Corona-Krise hat sich schließlich gezeigt, wie wichtig emotionale Agilität bei Führungskräften ist: eigene Ängste ausdrücken, die Autorität bewusst zurücknehmen, das Team in den Vordergrund stellen. Ein Paradebeispiel ist Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern, die damit beeindruckende Zustimmungswerte erzielt.

Gendersternchen, Binnen-I, Unterstrich: Wie sollte man eigentlich am besten gendern?

Die neueste und beste Variante ist der Doppelpunkt, der unter anderem von Linked:in genutzt wird. Er ist deshalb die beste Variante, weil nur er maschinenlesbar ist. Das heißt: Nur hier entsteht in der automatischen Spracherkennung der „glottale Slot“, die Pause, die wir aus der mündlichen Kommunikation kennen.

VON JENS POGGENPOHL

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