03.04.2021
Holt Euch Spezialisten für LinkedIn und XING ins Boot
Netzwerkexperter Christoph Amann | Bild: Chris Lutter
Herr Amann, wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Pflege eines aktiven Netzwerks für eine/n Unternehmer/in?
Enorm wichtig, denn Unternehmer/innen arbeiten zu einem großen Teil an der strategischen Ausrichtung ihres Unternehmens. Insofern ist der Austausch mit Kunden und Geschäftspartnern, aber eben auch innerhalb von Branchen und Verbänden sowie auf politischer Ebene unerlässlich. In diesen schnelllebigen Zeiten kann ein Informationsvorsprung über Wohl oder Wehe des Betriebs entscheiden. Wer auf ein starkes Netzwerk zurückgreifen kann, ist somit gegenüber den täglichen Herausforderungen besser aufgestellt.
Welche Rolle spielen dabei soziale Netzwerke wie XING oder LinkedIn?
Die genannten beruflichen Netzwerke spielen eine wichtige Rolle. Erst recht, wenn man sie als Werkzeuge versteht. Allein durch ein Nutzerkonto bei einem der genannten Netzwerke ist man noch kein Netzwerker, man sollte zumindest die wesentlichen Funktionen auch regelmäßig anwenden. Während XING sich in letzter Zeit bevorzugt um Themen wie New Work, Recruiting und Karriere gekümmert hat – und das mit Fokus auf den deutschsprachigen Markt – ist LinkedIn weltweit aufgestellt und wird auch hierzulande immer relevanter. Insbesondere als Führungskraft eines international aufgestellten Unternehmens sollte sich ein/e Unternehmer/in die Frage stellen, ob er/sie es sich noch länger leisten kann, nicht oder nur halbherzig auf diesen beruflichen Plattformen sichtbar zu sein. Als Meinungsführer in seiner Branche („Thought Leadership“) und Repräsentant seiner Unternehmung lässt sich der Kontakt zu seinen Zielgruppen wie etwa potenzielle Kunden oder Bewerber vergleichsweise kostengünstig realisieren. Doch entscheidend ist, dass die Strategie bei der Außendarstellung über soziale Kanäle nicht beim Werkstudenten hängen bleibt, weil dieser vielleicht als Influencer auf Instagram erste Erfolge vorweisen kann.
Wie setzen Unternehmen die digitalen Netzwerke am besten ein?
Indem sie sich zunächst einmal überlegen, welche Ziele sie über digitale Netzwerke erreichen wollen: neue Mitarbeiter finden, ebenso Kunden, Lieferanten oder sonstige Dienstleister. Holt Euch Spezialisten ins Boot, die tagtäglich in diesen beruflichen Netzwerken unterwegs sind. Wer sich gut mit Twitter, Instagram und Facebook auskennt hat deswegen nicht per se Erfahrung bei den Businessnetzwerken XING und LinkedIn.
Dann sollte man zu Beginn nicht den Fehler machen, sein gesamtes Budget gleich in bezahlte Werbung zu stecken. Die hat ihre Berechtigung, wenn man etwa ein Firmenevent auf die Beine stellt und dies aktiv bewerben möchte. Doch zunächst sollte das Augenmerk auf Reichweite („organischer“ Aufbau von Followern) und Sichtbarkeit durch ansprechende Inhalte und Interaktion mit den Followern gerichtet sein.
Welche Tipps haben Sie für Privatpersonen, die auf den Netzwerken aktiv sind?
Neben einem seriösen persönlichen Profilbild empfiehlt es sich die Informationen im Nutzerprofil aktuell zu halten und etwa Jobwechsel zeitnah zu kommunizieren. Oftmals melden sich dadurch direkte Kontakte und es ergeben sich vielleicht ungeahnte neue Geschäftsbeziehungen, weil sich plötzlich ein ehemaliger Mitschüler als Entscheider bei einem Zielkunden entpuppt. Unabhängig von den digitalen Netzwerken ist das individuelle Mindset beim Netzwerken entscheidend. Die praktische Umsetzung des Prinzips der Reziprozität (in Vorleistung gehen) und eine strategische Ausrichtung beim Aufbau des Kontaktnetzwerks – Qualität vor Quantität – sind aus meiner Sicht ausschlaggebend. Und schließlich sollte man sich nicht nur zweimal im Jahr – am Geburtstag und an Weihnachten – bei diesen beruflichen Netzwerken einloggen, sondern diese genau wie etwa Outlook als Werkzeug verwenden und sich z.B. morgens eine Viertelstunde Zeit für Neuigkeiten der Kontakte nehmen.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job am besten?
Die Mischung aus Online und Offline, denn obwohl ich mich auf den genannten Plattformen bewege, ist der persönliche Kontakt durch nichts zu ersetzen. Sobald es wieder möglich sein wird, beabsichtige ich auch wieder Networkingevents zu veranstalten und somit beizutragen, dass Menschen zusammenkommen, sich von Angesicht zu Angesicht miteinander austauschen und vielleicht sogar gemeinsame Initiativen auf den Weg bringen.
Ab wann war klar, dass Sie diese Karriere einschlagen würden?
Zwar war ich als regionaler XING-Ambassador schon über zehn Jahre in und um Ulm herum vernetzend unterwegs, doch als ich dieses ehrenamtliche Engagement beendete und mich verstärkt mit LinkedIn beschäftigte, erkannte ich den Bedarf vieler mittelständischer Unternehmen, sich dort zu positionieren.
Als ich einem auf dem Weltmarkt führenden Nutzfahrzeughersteller durch meine Kontakte zu LinkedIn schnell helfen konnte, auf die jahrelang inaktive LinkedIn-Unternehmensseite wieder Zugriff zu erlangen und somit im Jubiläumsjahr fleißig Content auszuspielen, erkannte ich, dass das gewiss kein Einzelfall ist und viele weitere Unternehmen wohl vor einer ähnlichen Herausforderung stehen.
Haben oder hatten Sie ein Vorbild?
Ohne lange überlegen zu müssen fällt mir da mein Vater ein, der im Vertrieb und Eventmanagement einer Ulmer Brauerei schon Netzwerke knüpfte und pflegte, lange bevor man das Networking nannte. Schon als kleiner Junge war ich an den Wochenenden der Festesaison stets auf Bierfesten dabei. Berührungsängste mit Bürgermeistern, Generälen oder Vertretern aus Lokalpolitik, Wirtschaft und Kultur waren mir von Anfang an fremd. Die Brauerei hatte zu der Zeit auch die regionale Coca-Cola-Konzession, weshalb mein Vater auch als „Cokeman“ mit den in Neu-Ulm stationierten Amerikanern zu tun hatte und den deutsch-amerikanischen Double Eagle-Stammtisch zum Austausch zwischen den Städten Ulm, Neu-Ulm und der US Army ins Leben rief. Somit war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich in seine Fußstapfen trat.
Wenn Sie nochmal am Anfang stünden: Was würden Sie mit dem Wissen von heute anders machen?
Im Jahr 2005 zog es mich beruflich von München zurück nach Ulm. Dabei ergab es sich, dass ich im Rahmen meiner Rückkehr die Gelegenheit nutzte und den Open Business Club, wie XING zuvor hieß, an der Donau etablierte und einen regelmäßigen monatlichen Stammtisch auf die Beine stellte.
Mit dem Wissen von heute hätte ich schon damals für professionellere Strukturen und mehr Verbindlichkeit der Teilnehmer bei der Anmeldung gesorgt, indem ich eine kleine Bezahlschranke in Form einer Teilnahmegebühr installiert hätte. Doch ging es mir damals primär um den Spaß und Austausch, weniger um monetäre Aspekte. Doch bei der Bereitstellung von Tischen und Sitzplätzen war immer viel Improvisation nötig, weil manche Teilnehmer dann kurzfristig absagten oder ohne Anmeldung spontan doch noch dazustießen. Deshalb wird bei meinen zukünftigen Netzwerkveranstaltungen auf Verbindlichkeit und Wertschätzung geachtet.
Worüber können Sie sich richtig ärgern?
Durchaus über Kleinigkeiten, etwa die Parksituation in meinem Wohnviertel und die Gleichgültigkeit und Untätigkeit der hierfür Verantwortlichen.
Worüber können Sie so richtig lachen?
Über Wortakrobaten wie Willy Astor und auch die auf den ersten Blick versteckten sozialkritischen Liedtexte der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.
Was brauchen Sie, um abschalten zu können?
Um abschalten zu können, schalte ich den Fernseher ein und sehe mir die Klassiker der Actionserien der 1980er wie etwa MacGyver oder das A-Team an. Und ein Spaziergang mit meiner Frau und meiner Tochter verfehlt seine Wirkung ebenfalls ganz selten.
Welche drei Sätze würden Sie gerne ungefragt noch sagen wollen?
Fangt mit dem Aufbau Eurer Netzwerke nicht erst an, wenn Ihr durch kurzfristige Herausforderungen wie etwa Jobverlust oder Umzug bereits unter Druck steht.
Beim Netzwerken ziehe ich gerne einen Vergleich zu einem Spinnennetz: je engmaschiger es ist, umso mehr Gelegenheiten verheddern sich darin.
Mein Netzwerk ist wie ein Muskel, der jeden Tag bewegt und trainiert werden will.
VON JOHANNES STRIEGEL