20.02.2021
„Humor kann Anspannung entspannen“
Eva Ullmann arbeitet seit vielen Jahren als Humortrainerin, Autorin und Rednerin und hat in Leipzig das Deutsche Institut für Humor® gegründet. SÜDKURIER-Leser können sie am Donnerstag, 25. März, im Rahmen des SÜDKURIER Wissensforums in einem Livestream-Event erleben. | Bild: Johannes Wosilat
Frau Ullmann, warum tun wir uns in stressigen Situationen so schwer mit Humor?
In entspannten Situationen führen viele Dinge dazu, dass Humor gelingt: lockere Körpersprache, gute Beziehung zum Gegenüber, Atmung. Wenn der Stresspegel steigt, begleitet uns oft die Steinzeit. Bei Stress, Sorgen und Angriffen atmen wir mehr ein als aus, der Körper spannt sich an und unser Gehirn schaltet in den Steinzeitmodus – also auf Angriff, Verteidigung und Flucht.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass Humor möglich ist?
Um in stressigen Situationen Humor zu behalten, muss man vor allem weiter atmen und die Lust am Problem erlauben. Was ist das Komische an Corona? Man spart Schminke beim Masketragen, der Osterhase versteckt Klopapier, der Weihnachtsmann ist natürlich systemrelevant. Der Gang zum Drogeriemarkt ersetzt das Discofeeling, wenn der Türsteher einem zunickt, um einzutreten. Humor ignoriert nicht das Problem oder den Stress, sondern macht ihn erträglich. Allerdings darf man schon im entspannten Zustand Humor pflegen. Denn Humornutzung ist wie ein Geldkonto. Wenn man in guten Zeiten anspart, kann man in stressigen Zeiten davon abheben.
Was kann Humor in dem Fall bewirken?
Humor kann Anspannung entspannen. Ein Problem erträglicher machen. Lachen kann Nähe in distanzierten Zeiten ermöglichen. Humor kann auch Distanz schaffen und man gewinnt Abstand zum Problem. Im Arbeitsleben schafft Humor zum Beispiel in Präsentationen und Meetings signifikant Aufmerksamkeit.
Woran erkennt man humorvolle Personen?
Jeder Mensch hat Humor. Nur die Geschmäcker sind sehr unterschiedlich. Für mich gibt es Menschen mit sehr massentauglichem Humor. Und es gibt Menschen mit einem Humor, der spezieller ist und eine bestimmte Vorbildung benötigt. Oft stempeln wir jemanden, der nicht über eine witzige Anekdote lächelt, als humorlos ab. Ich bin ein Fan davon, dann eine andere Geschichte auszuprobieren und auf Entdeckungsreise zu gehen, worin der spezifische Humor meines Gegenübers liegt. Menschen, die nicht meinen Humor haben, sind anstrengender in der Kommunikation. Aber man kann immer eine gemeinsame Humorebene finden.
Wie behalten Eltern trotz Homeoffice und Homeschooling ihren Humor?
Zwischen Kundenanrufen, Mails schreiben, mit dem Kind Hausaufgaben machen, die diversen Aufgaben in der Dropbox finden, Zoom beherrschen, Plattformen online kriegen und Mittagessen zaubern. Wenn dann die Tasse Milch runterfliegt, die man noch schnell für den Kinderkakao in die Mikrowelle stellen wollte, bricht man als Erziehungsberechtigter manchmal in Tränen aus und versteht nicht warum. Beim Humoreinsatz im Homeschooling geht es also nicht um eine rosa Dauerfreude im Gute-Laune-Modus, sondern um Humor als Lebensretter und zum Schutz vor dem wahnsinnig-Werden. Wie erhöht man aber unter solch einer Belastung die tägliche Humordosis? Vor allem durch heldenhafte, wertschätzende oder ungefährliche Umdeutungen. Sagt man zu einer 6-Jährigen: „Zieh die gefütterte Jacke an“, antwortet es „Mama, wie füttert man eine Jacke?“. Das ist eine Umdeutung. Ein Glas fällt runter? Das Kind kann gut loslassen! Ich hab mich bekleckert im Online-Meeting? Ich hebe mir was für später auf! Alle beteiligten Eltern, Lehrkräfte und Schüler benötigen ein extrem hohes Maß an Flexibilität, die Fähigkeit, die Stimmung aller Beteiligten bei dem Online-Marathon hochzuhalten. Und die Fähigkeit schnell und unkompliziert untereinander Anforderungen zu klären. Humor schafft Offenheit und Entspannung, wenn er sozial ist, also ungefährlich, aufwertend, kurz: einfach lustig, ohne jemanden zu beschämen.
VON HEIKE THISSEN