31.07.2021
Wie sage ich’s dem Laien?
Kinder lernen heute sehr früh den Umgang mit technischen Hilfsmitteln. Manche unter ihnen werden echte Technik-Nerds. Im Berufsleben ist dann entscheidend, dass diese Nerds ihr Wissen im Team oder auch gegenüber dem Kunden vermitteln können. Auf die Agilität kommt es an. Bild: dpa
Es geht um den Umgang mit Menschen
„Du hast Dich nicht um den Kunden zu kümmern!“ Diesen Satz hat Stephan Strittmatter als junger Programmierer mehr als einmal zu hören bekommen. In seiner heutigen Funktion als Talent Scout beim Systemhaus Sybit käme er nicht im Traum darauf, solche Parolen auszugeben. Schließlich müssen auch Informatiker und Ingenieure immer stärker das beherrschen, was ihnen nicht immer nur dem Klischee nach eher schwerfällt: der direkte Umgang mit Menschen.
Kommunikation am laufenden Band
Agilität ist eines der Stichworte, das diesen Wandel umschreibt. Es steht für Teamwork, vielfache Rückkoppelungsschleifen mit Kunden, kurzum: Kommunikation am laufenden Band, häufig mit Laien. Mit Fachchinesisch und ohne Empathie stößt man hier schnell an Grenzen. „Der Nerd, der allein vor Bildschirm im Keller hockt, passt eher nicht in ein agiles Team“, sagt auch Strittmatter. Um das neue Denken und das Teamgefühl zu stärken, bietet man bei Sybit, das in Radolfzell und anderen Standorten rund 280 Mitarbeiter beschäftigt, umfangreiche Onboarding-Schulungen an.
Individuelle Fortbildungen
Auch bei Doubleslash in Friedrichshafen setzt man auf solche Prozesse sowie individuelle Fortbildungen. Dazu zählen sogenannte Center of Competences. „Hier können sich unsere Kolleginnen und Kollegen je nach Interesse in verschiedenen AGs beteiligen, neue Ideen entwickeln sowie aktuelle Trends beobachten und ausprobieren“, berichtet Personalerin Julia Hensle.
Zusammenarbeit mit der Hochschule
Ideal freilich wäre es, wenn Absolvierende ihr kommunikatives Handwerkszeug weitgehend schon in der Hochschule erlernt hätten. Dazu arbeitet Sybit unter anderem mit der HTWG Konstanz zusammen. „Agiles Projektmanagement“ heißt das Modul, das im Rahmen eines von der Internationalen Bodensee-Hochschule (IBH) geförderten Innovationsnetzwerks entstanden ist. Dafür legten die die beiden Informatik-Professoren Ralf Schimkat und Rainer Mueller zwei zuvor getrennte Kurse für Masterstudierende zusammen. Nach einem Einstieg im Hörsaal wechselt der Schauplatz zu einem der Projektpartner, wo reale Fälle bearbeitet werden. Das Feedback der Studierenden ist ausgesprochen positiv, und auch für die Unternehmen lohnt sich das Engagement – nicht zuletzt, um Talente zu identifizieren.
Die Rolle der Sprache
Noch grundsätzlicher untersucht der Germanist und Linguist Oliver Winkler von der ZHAW in Winterthur in einem weiteren IBH-Projekt die Ingenieursausbildung der Vierländerregion. Gemeinsam mit seinen Kollegen will er wissen, welche sprachlichen Qualifikationen im Studium überhaupt vermittelt werden. Deren Anteil schätzt er auf höchstens zehn Prozent, und häufig seien darunter Fremdsprachenkurse. Die änderten aber nichts an dem Problem, dass Technikbegeisterte Sprache „häufig nur als Werkzeug, das einen ganz bestimmten Zweck zu erfüllen hat“ nutzen. Auch er plädiert für praxisnähere Konzepte, denn zumindest in einer Hinsicht passt der Vergleich zwischen professioneller Kommunikation und Fremdsprachen: Man lernt sie am besten im alltäglichen Tun.
VON JENS POGGENPOHL