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Gründer auf dem Vormarsch

Zwischen Schweizer Alpen und Schwäbischer Alb stehen die Chancen für Start-Ups gut.
Veröffentlicht am 10.05.2019

Zwischen Schweizer Alpen und Schwäbischer Alb stehen die Chancen für Start-Ups gut.

Gegensätze ziehen sich an! Wenn es ein Sprichwort gibt, das auf den Bodensee passt, dann ist es dieses. Wasser trifft auf Berge, Natur auf Kultur, Ruhe auf Dynamik, Tradition auf Innovation und starke regionale Verwurzelung auf internationalen Freigeist. All diese Faktoren sind mit verantwortlich dafür, dass sich die Vierländerregion aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein zu einem der Hot-Spots in Europa entwickelt hat – und das in vielerlei Hinsicht: Der Tourismus boomt, die Wirtschaft brummt und immer mehr Menschen wollen dort wohnen, wo jedes Jahr mehrere Millionen Gäste Urlaub machen. Kein Wunder also, dass hier ein besonders großes Potential für Start-Ups schlummert.

Auf die gute Idee kommt es an

Manche Ideen sind so naheliegend, dass sich im Nachhinein alle Umstehenden fragen, warum sie nicht selbst drauf gekommen sind. So ist es zum Beispiel mit dem Start-Up You Mawo aus Konstanz. Der Augenoptikermeister Sebastian Zenetti und drei Freunde hatten die Idee, maßgeschneiderte Brillen mit einem speziellen Laserverfahren herzustellen. Damit geht für alle Brillenträger, die in ihrem Nasenfahrrad mehr sehen als eine Sehhilfe, ein Traum in Erfüllung: der von der perfekten sitzenden Brille nämlich. Kunden wählen zwischen verschiedenen Grunddesigns und lassen dann beim Optiker ihr Gesicht scannen. Anhand der damit erhobenen Daten stellt You Mawo dann ein Modell her, das individuell auf seinen Träger zugeschnitten ist. Dafür bekam das Unternehmen nicht nur den German Design Award und den bayerischen Innovationspreis, sondern auch den zweiten Platz des Deutschen Mittelstandspreises „Hidden Champion“ des Nachrichtensenders N-TV. Die Frage, warum das Unternehmen ausgerechnet am Bodensee Fuß gefasst habe, beantwortete Zenetti in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER so: „Die Lebensqualität hier ist extrem hoch. Und was wollen wir zum Beispiel in Berlin? Da gibt es tausende Start-Ups. Wir sind lieber hier.“

Die Voraussetzungen sind günstig

Das Leben am See ist natürlich nur ein, wenn auch nicht zu vernachlässigender, Grund, warum Start-Ups sich im Südwesten der Republik wohl fühlen. Hinzu kommen das breit gefächerte Branchenspektrum, das hier herrscht, und die Tatsache, dass zukunftsweisende Technologiebereiche Netzwerke gebildet haben. Außerdem stellen vier hochentwickelte Länder ihre Potenziale und ihre Humanressourcen zur Verfügung. Der Bodensee mit seinem Einzugsgebiet hat, was eine Hightech-Region der Zukunft braucht. Davon profitiert auch das Start-Up Fruitcore mit seinem Industrie-Roboter Horst. Der steht für Highly Optimized Robotic Systems Technology und soll kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, Betriebsabläufe zu automatisieren – zum Beispiel, indem er CNC-Maschinen bestückt. Nach der Motek 2018, der internationalen Fachmesse für Produktions- und Montageautomatisierung, war die Fachpresse beeindruckt und die Besucher begeistert, vor allem von der einfachen Programmierung der Software und dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Klingt unglaublich? Ist aber so!

Eine ganz andere Marktlücke hat das Start-Up Pollinature aufgetan. Das Unternehmen mit Schweizer Wurzeln hilft Obstbauern beim Bestäuben ihrer Felder und Plantagen, indem es ihnen heimische Mauerbienen zur Verfügung stellt. Die bilden keinen Staat, stechen nicht, produzieren keinen Honig und lassen sich vergleichsweise unkompliziert per Post verschicken. Außerdem haben sie gegenüber Honigbienen so einige Vorteile, wie Pollinature-Gründer Tom Strobl erklärt: Sie bestäuben effektiver, sind weniger anspruchsvoll, was die Witterungsbedingungen angeht und lassen sich dank ihres vergleichsweise kleinen Flugradius gezielt zum Beispiel in Obstplantagen ansiedeln. „Ein Tier ersetzt bis zu 300 Honigbienen und sie sind die ersten Bienen im Jahr, die unterwegs sind“, sagt der Biologe. In einer Zeit, in der Obstbauern wegen des Insektensterbens schon damit begonnen haben, ihre Bäume von Hand zu bestäuben, hat Pollinature dem Insektensterben den Kampf angesagt und ist damit erfolgreich.

Keine Angst vor großen Zielen

Ein ähnlich großes Ziel haben sich die Macher von Bewelo gesetzt: Sie wollen mit ihrer gleichnamigen App Autofahrer dazu bewegen, auf das Fahrrad umzusatteln. Ein ausgeklügeltes Belohnungssystem, das von Krankenkassen, Arbeitgebern und anderen Institutionen unterstützt werden soll, soll dabei helfen. Denn Bewelo steht für „Bewegen – Belohnen“ und funktioniert so, dass Arbeitnehmer, die mit Muskelkraft den Weg in die Firma zurücklegen, Punkte verdienen, die sie später eintauschen können. Sie können sie an karitative Einrichtungen spenden, sich Wertgutscheine oder Belohnungen sichern. Die Idee stammt von vier Studierenden an der Friedrichshafener Zeppelin Universität und soll mit der Fahrradsaison 2019 in ihrer Pilotphase gehen.

Spitzenreiter in Forschung und Entwicklung

Bei so viel Engagement wundert es nicht, dass die deutsche Bodenseeregion zu den absoluten Spitzenreitern gehört, was Forschungs- und Entwicklungsintensität in Baden-Württemberg angeht. Das Nordufer mit Friedrichshafen und Ravensburg zählt gar zu den prosperierendsten Räumen in Deutschland, was Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsdynamik und den Arbeitsmarkt angeht. Europaweit betrachtet zählt sie wirtschaftlich zu den dynamischsten Regionen und taucht in zahlreichen Rankings auf den Spitzenplätzen auf. Hervorragende Bedingungen also für Start-Ups, die sich mit einer guten Idee, viel Optimismus und Durchhaltevermögen auf die Überholspur begeben.