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Digitalisierung und KI – „Wir werden massive Fortschritte im Bereich der Zusammenarbeit erleben“

Steffen Baumgartner, Digitalisierungsexperte und Unternehmer, spricht über Arbeitsgewohnheiten in und nach der Pandemie, wie die fortschreitende Technologisierung unseren Arbeitsalltag verändert und warum es seiner Meinung nach nicht zu virtuell werden sollte.
Veröffentlicht am 12.06.2021
Steffen Baumgartner, Digitalisierungsexperte und Unternehmer | Bild: SB/SK

Herr Baumgartner, was gefällt Ihnen an Ihrem Job am besten?

Dass ich als Geschäftsführer meiner IT und Softwarefirma arborsys in alle die Firma betreffenden Themen involviert bin. Von der Akquise neuer Projekte über deren Durchführung bis hin zur Einstellung neuer Mitarbeiter oder der Definition unserer Strategien – mir gefällt die Abwechslung und der Generalismus im Unternehmertum. Das freut mich am meisten an meinem Job.

Ab wann war klar, dass Sie diese Karriere einschlagen würden?

Als ich 2001 als klassischer Projektmitarbeiter in IT-Projekten gestartet bin, war ich phasenweise enttäuscht, da ich verschiedene Dinge im Unternehmen in meiner Rolle nicht beeinflussen konnte. Mein Wille, mich in alle Unternehmensprozesse zu vertiefen, war zu der Zeit bereits ausgeprägt.

2008 ungefähr habe ich dann meine ersten Teams übernommen. Spätestens dann war klar, dass ich stark interessiert an Führungsaufgaben bin und vor Entscheidungen nicht zurückschrecke. 2012 habe ich dann den trotz anfänglicher Zweifel den Schritt gewagt und mich selbstständig gemacht.

Haben oder hatten Sie ein Vorbild?

Ich habe kein direktes Vorbild, vielmehr wurde mir meine Art des Denkens in meinem Elternhaus vorgelebt. Mein Vater war zwar nicht selbstständig, aber sehr aktiv in seinem Job.

Müsste ich Vorbilder benennen, wären es wohl die vielen mit motivierten Kollegen und Mitarbeitern gespickten Teams, mit denen ich bisher erfolgreich zusammenarbeiten durfte.

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitsgewohnheiten verändert. Wie hat sich das auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?

Sehr stark. Begonnen hat alles am 16. März 2020, als wir angesichts des ersten Lockdowns überlegt haben: Wie gehen wir mit der Situation um? Ich habe sehr schnell gehandelt und einen meiner Teamleiter zum internen Ansprechpartner für unseren Umgang mit der Pandemie gemacht.

Auch wenn in der IT-Branche stark selbstständig gearbeitet wird, gibt es dennoch Teams, die zusammen in Büros sitzen und an digitalen Whiteboards und Flipcharts arbeiten. Dadurch standen natürlich auch wir vor der Herausforderung der Kontaktminimierung.

Wir sind also nach wenigen Tagen und direkt gesammelt von der Präsenzarbeit ins Mobile Office gewechselt. Seitdem sind die Mitarbeiter gar nicht bzw. nicht mehr regelmäßig im Büro.

Wann haben Sie das letzte Mal alle Mitarbeiter gleichzeitig im Büro gesehen?

Wir hatten letztes Jahr im August, als die Pandemie es erlaubt hat, zur Eröffnung unseres neuen Büros im OrangeCampus in Neu-Ulm eine kleine Feier mit dem nötigen Abstand. Die hat allerdings im Freien stattgefunden – der letzte gemeinsame Bürotag war Anfang März letzten Jahres.

Denken Sie, der Trend zum Mobile Office und der Heimarbeit ist nachhaltig?

Ja. Das beschäftigt uns auch intern stark. Für das zweite Quartal 2021 haben wir uns auf Ebene der Unternehmensleitung die Aufgabe einer Konzepterstellung für die Post-Pandemie-Situation gestellt.

Ich bin mir sicher, dass die Trends nachhaltig sind. Manch Mitarbeiter, für den Mobile Office vor einem guten Jahr undenkbar war, hat die Vorzüge mittlerweile erkannt. Es wird künftig mit Sicherheit einen Mix aus der klassischen Büropräsenz und dem Mobile Office geben. Wir werden es unseren Mitarbeitern freistellen und gehen davon aus, dass sich dieser Mix einpendeln wird.

Was sich aber in den Gesprächen ergeben hat: Alle haben sich „Teamtage“ für ihre Projektteams gewünscht, an denen die Themen in Präsenz behandelt werden, die Remote nur schwer umzusetzen sind. Die „Stillarbeit“ erfolgt im Gegenzug zu Hause.

Ebenfalls interessant: Die Kommunikation mit Kunden und Partnern wird sich ändern. Das letzte Jahr hat gezeigt: Es geht auch Remote. Wir konnten Projekte von der A bis Z komplett online erfolgreich starten und abschließen. Aber auch hier wird es künftig einen gesunden Mix geben. Gewisse Workshops und Kreativmeetings werden in Präsenz stattfinden. Man fühlt sich dort, unterstützt durch Technik, doch wohler.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die virtuelle Meetingkultur beibehalten wird – es hat schließlich funktioniert. Allerdings werden Erstkontakte, Workshops und Retrospektiven auch wieder in Präsenz stattfinden. Darauf freue ich mich. Das hat mir gefehlt.

Springen wir gedanklich ins Jahr 2025. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag und der Ihrer Mitarbeiter aus?

Wenn die nächsten fünf Jahre im Bereich der Digitalisierung die gleiche Entwicklung wie die letzten fünf nehmen, werden wir massive Fortschritte im Bereich der Zusammenarbeit erleben. Vor allem in Anbetracht der stark positiven Veränderungen allein in den letzten zwei Jahren.

Etwas visionärer ausgedrückt: Ich habe das Gefühl, dass wir in fünf Jahren dank weiter entwickeltem Equipment in ganz neue Sphären vorstoßen. Wir werden noch mobiler, bekommen mehr und KI-basierte, intelligentere Werkzeuge und Assistenten an die Hand. Das ermöglicht es uns als Fachkräften, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Gleichzeitig wünsche ich mir aber auch, dass es nicht zu virtuell wird. Dass man sich weiterhin mit Kollegen an der Kaffeemaschine trifft, weiter Kunden und Partnern persönlich begegnet. Das bringt uns und unsere Zusammenarbeit weiter.

Wenn Sie nochmal am Anfang Ihres Berufslebens stünden: Was würden Sie mit dem Wissen von heute anders machen?

Schwere Frage. Ich würde gar nicht so viel anders machen. Zwischendurch habe ich mir die Frage gestellt, ob ich mich nicht auf ein Thema mehr fokussieren und „das große Ganze“ etwas zurückschrauben sollte. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es genau das ist, was mich weiterbringt. Aus diesem Grund gibt es arborsys heute.

Vor 20 Jahren hätte ich nicht geglaubt, heute Inhaber eine IT-Firma zu sein, ich hätte mich mehr in der Unternehmensberatung gesehen. Den Weg, den ich bis heute gegangen bin, würde ich aber trotzdem wieder so gehen.

Worüber können Sie sich richtig ärgern?

Über Commitments, die nicht eingehalten werden.

Worüber können Sie so richtig lachen?

Privat wie beruflich: Wenn Menschen zusammenfinden, die sich gut verstehen, und mit Spaß an einem Ziel arbeiten oder gleiche Interessen teilen. Dabei entstehen oft witzige Situationen und mal läuft etwas schief, über das man gemeinsam herzlich lachen kann.

Was brauchen Sie, um abschalten zu können?

Gar nicht viel. Laufklamotten, Laufschuhe und Zeit für 10 – 15 Kilometer.

Welchen Stellenwert haben Smartphone und Social Media für Sie?

Das Smartphone hat einen sehr hohen Stellenwert, vor allem im Job – ohne geht nichts. Man wird ja schon nervös, wenn das Handy mal im Auto vergessen wird.

Ich merke aber in den letzten Monaten, dass es auch schön sein kann, mal am Wochenende oder Abend das Handy aus der Hand zu geben. Dazu trägt die Pandemie und die damit verbundene längere Bildschirmzeit sicherlich bei.

Social Media ist für uns im Unternehmen extrem wichtig und wird immer relevanter. Da ich tagtäglich im Job damit zu tun habe, ist der private Stellenwert zwar auch gegeben, aber bei weitem nicht so hoch.

Beides hat also einen sehr hohen Stellenwert – es ist aber schön, wenn man es immer wieder zur Seite schieben und in der physischen Welt präsent sein kann.

Welche drei Sätze würde Sie gerne ungefragt noch sagen wollen?

Zwei Themen sind mir wichtig, wir haben beide bereits gestreift. Egal, vor was für einer Herausforderung man steht: Es ist schön, wenn man ein Team um sich herum weiß, mit dem diese gemeinsam gemeistert werden kann. Hätten Sie mich am 1. März 2020 gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Hals über Kopf alle Mitarbeiter ins Mobile Office zu schicken - ich hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt, das geht nicht. Wir haben da als Team zusammengehalten.

Zweitens: Menschen sollten stets offen bleiben für neue Technologien. Ich beschäftige mich stark mit dem Thema Künstliche Intelligenz und sehe gerade dort noch einige Blockaden und Ängste, die durch Unwissenheit hervorgerufen werden. Ich appelliere daher immer wieder: Seid offen! Das ist ein wichtiges Thema, das uns zukünftig weiterbringen wird.

VON JOHANNES STRIEGEL