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Frieden fängt schon im Büro an

Warum spielen auch Liebe und Frieden in Unternehmen eine Rolle - diese und weitere Fragen beantwortet uns die geborene Tübingerin Annette Dernick im Interview.
Veröffentlicht am 07.05.2022
Annette Dernick (61) ist Speakerin, Buchautorin und Beraterin mit dem Schwerpunkt „Love & Peace in Companies“. Die geborene Tübingerin unterstützt Teams beim Aufbau von Teamgeist, Vertrauen, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. | Bild: Annette Dernick

Frau Dernick, eines Ihrer Themen heißt „Love & Peace in Companies“. Warum spielen Ihrer Meinung nach Liebe und Frieden in Unternehmen eine Rolle?

Ich stelle bei meiner Arbeit als Beraterin immer wieder fest, dass in Unternehmen oft kein besonders friedvoller Geist vorherrscht. Da wird eher übereinander anstatt miteinander geredet, es gibt Grabenkriege oder die Kollegen versuchen untereinander, sich gegenseitig etwas abspenstig zu machen. Das ist der Stimmung im Team nicht zuträglich.
Wenn ich von Liebe und Frieden in Unternehmen spreche, meine ich damit natürlich keine romantische Liebe, sondern eher die Nächstenliebe.
Mir geht es um ein friedvolles, liebevolles und respektvolles Miteinander. Denn ich bin davon überzeugt, dass dieses dazu beiträgt, dass die Mitarbeiter weniger krank sind, sich mehr fürs Unternehmen engagieren und sich diese Begeisterung auch auf die Kunden und schlussendlich auf die Auftragslage überträgt.

Was passiert in Unternehmen, wo „Love & Peace“ nicht vorhanden sind?

In Firmen, in denen der respektvolle Umgang miteinander fehlt, sinkt die Motivation der Mitarbeiter rapide. Es kann sein, dass sie mit dem gelben Krankenschein darauf reagieren. Dazu passt auch das Ergebnis der Gallup-Umfragen: 14 % der Angestellten in Deutschland haben innerlich bereits gekündigt, 71 % machen „Dienst nach Vorschrift“, nur 15 % fühlen sich dem Arbeitgeber verbunden. Darin sehe ich sowohl einen volkswirtschaftlichen Verlust als auch Gründe für persönliche Unzufriedenheit. Das ist schade, denn unsere Berufstätigkeit nimmt einen großen Teil unserer täglichen Zeit ein. Auch wenn wir im Homeoffice physisch zu Hause sind, ist in diesen Situationen die Wertschätzung der Führungskraft besonders wertvoll. Vertrauen statt Kontrolle motiviert Mitarbeitende, sich für die Firma zu engagieren.

Wie lässt sich diese Wertschätzung fördern?

Meiner Meinung nach ist der wichtigste Aspekt, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollen. Wenn Firmenlenker und -leiter erkennen, dass es nicht nur um Zahlen geht, sondern ihre Hauptaufgabe darin besteht, ihr Team für gemeinsame Ideen zu begeistern, dann stellt sich der wirtschaftliche Erfolg automatisch ein, weil die Begeisterung auch auf die Kunden übergreift. Wertschätzung beginnt immer bei der Führungsperson selbst: So, wie sie sich selbst wertschätzt, strahlt sie das auf ihre Mitarbeitenden aus.

Was braucht es, damit ein friedvoller Umgang in Unternehmen gelingt?

Da ist zunächst mal die wertschätzende Kommunikation, und respektvolles Feedback. So werden Mitarbeitende gefördert und gefordert. Eine vertrauensvolle Atmosphäre ist wichtig. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass eine Führungskraft eigene Fehler zugibt und eine offene Gesprächskultur pflegt, in der sich jeder traut, seine Ideen und Gedanken zu äußern. Klare Führungsstrukturen sind hier hilfreich. Wenn sich Mitarbeitende darüber hinaus gesehen und geschätzt fühlen und ihnen Vertrauen entgegen gebracht wird, stehen die Chancen gut, dass ein friedvoller Umgang gelingt.

Was hat der Frieden in Unternehmen mit Frieden in der Welt zu tun?

Ich habe oft das Gefühl, dass wir Menschen die Schuld gern im Außen suchen: Die Politik, die Gesellschaft oder die Führungskräfte sind dann verantwortlich, wenn etwas nicht rund läuft. Damit richten wir den Fokus auf Dinge, die wir nicht selbst beeinflussen können. Wenn wir uns aber erstmal auf uns selbst konzentrieren und wir mit uns selbst im Frieden sind, dann strahlen wir das auch aus. Frieden entsteht nicht im Außen, sondern im Innen. Das ist wie der Stein, der ins Wasser fällt und weite Kreise zieht. Es beginnt bei mir. Für Frieden kämpfen ist ein Widerspruch. Aber ich kann mich für Frieden einsetzen. Und hier ist der Arbeitsplatz eine von mehreren Keimzellen. Freundliches Denken ist der erste Schritt, der nötig ist. Denn Frieden fängt schon im Büro an.

VON HEIKE THISSEN