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Das Handwerk als attraktiver Arbeitgeber

Fabienne Gehrig von der Handwerkskammer Konstanz diskutiert die Herausforderungen und Chancen im Handwerk, besonders im Bereich der Personalsuche und -bindung. Handwerksbetriebe kämpfen mit Fachkräftemangel, insbesondere in Bereichen wie Bäckerei und Fleischerei. Gehrig betont, dass Handwerksbetriebe ihre Vorteile, wie familiäre Betriebsklimata und sinnhafte Arbeit, stärker kommunizieren sollten. Digitale Präsenz, offene Tage und soziale Medien sind Schlüssel für die Attraktivität bei jüngeren Generationen. Die Handwerkskammer unterstützt mit Fachkräfte- und Ausbildungsplatzbörsen, Messen und Schulbesuchen. In der Lohnfrage hat sich die Situation verbessert, wobei Handwerksbetriebe auch steuerfreie Vorteile und Gesundheitsvorsorge bieten. Die Zukunft liegt in flexibler Arbeitszeitgestaltung und digitaler Innovation, wobei Robotik für Gesundheitsprävention als zukünftiges Thema hervorgehoben wird.
Veröffentlicht am 18.11.2023
Bild: deagreez – stock.adobe.com

Ein Beruf im Handwerk hat vieles zu bieten. Doch einigen Handwerksbetrieben fällt es bei der Personalsuche noch schwer, die Vorteile auszuspielen. Ein Gespräch dazu mit Fabienne Gehrig, Fachbereichsleitung Personalberatung bei der Handwerkskammer Konstanz.

Frau Gehrig, in Ihrer Funktion sind Sie die Ansprechpartnerin für das Handwerk, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu finden und zu binden. Wie ist die Situation der Handwerksbetriebe in Ihrem Kammerbezirk? Ist der Fachkräftemangel ein echtes Problem?

Gehrig: Absolut. Der Druck auf die Handwerksbetriebe aufgrund fehlenden Personals ist nach wie vor hoch. Insbesondere im Nahrungsmittelbereich, wie bei Bäckern oder Fleischern, ist die Situation angespannt. Hier können noch nicht mal alle Ausbildungsplätze besetzt werden.

Wie können sich Handwerksbetriebe attraktiver präsentieren, um Personal zu gewinnen?

Gehrig: Grundsätzlich ist es so, dass Handwerksbetriebe viel mehr darüber reden sollten, was das Handwerk, aber auch sie als Arbeitgeber, bieten. Hier muss deutlich werden, was das Handwerk ausmacht und wie es sich positiv von anderen Branchen unterscheidet.

… und die Präsentation des Betriebs als Arbeitgeber?

Gehrig: Als Arbeitgeber muss ich zeigen, dass Mitarbeiter im Handwerksbetrieb keine anonymen Nummern sind, sondern das Handwerk von einem sehr familiären Betriebsklima geprägt ist. Jeder Mitarbeiter ist für die Erfüllung eines Auftrags mitverantwortlich. So sieht jeder im Handwerk die Entstehung des Produkts, das vom Anfang bis Ende begleitet wird. Das gibt der Tätigkeit Sinn.

Gerade bei der Wahl des Ausbildungsberufs ist diese sinnhafte Tätigkeit ein wichtiges Argument.

Aber wie können Handwerksbetriebe diese Botschaften und Argumente nach außen tragen?

Gehrig: Ein erster Schritt dabei ist natürlich der Internetauftritt. Auch ein Tag der offenen Tür kann Einblick schaffen. Gerade für die junge Zielgruppe spielen auch die Sozialen Medien eine wichtige Rolle. Eine weitere Möglichkeit ist es, kontinuierlich die Möglichkeit von Praktika im Unternehmen anzubieten.

Und wie unterstützen Sie als Handwerkskammer?

Gehrig: Da gibt es eine ganze Reihe an Maßnahmen. Zum Beispiel haben wir eine Fachkräftebörse und Ausbildungsplatzbörse eingerichtet, gehen als Handwerkskammer zusammen mit Betrieben zu Jobbörsen und Ausbildungsmessen wie der „Jobs for future“-Messe. Dazu gibt es an Schulen Berufsorientierungstage. Und unsere Ausbildungsbotschafter, die selbst Auszubildende sind, besuchen Schulklassen und berichten authentisch und sehr persönlich über die Ausbildung und den Handwerksberuf.

Auch betreuen wir die Betriebe beim Thema Zuwanderung und Integration von ausländischen Arbeitskräften. Insbesondere bei Auszubildenden gibt es hier Unterstützungsbedarf.

Mitarbeiter zu gewinnen ist das eine, sie aber an den Betrieb zu binden, das andere. Gerade im Wettbewerb mit Industrieunternehmen hat das Handwerk den Ruf, keine entsprechenden Löhne zahlen zu können.

Gehrig: Das hat sich geändert. Inzwischen sind die Entgelte für Fachkräfte in den Handwerksbetrieben deutlich gestiegen. Dazu kommt, dass Handwerksbetriebe gerne steuerfreie Vorteile für ihre Beschäftigten anbieten. Von der Tankkarte bis zur privaten Krankenzusatzversicherung ist da vieles dabei. Auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge wird inzwischen viel getan.

Ein weiteres wichtiges Instrument zur Bindung bereits Beschäftigter ist aus meiner Erfahrung das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen, das durch gemeinsame Aktivitäten gefördert werden kann.

Wie unterstützt die Handwerkskammer dabei die Handwerksbetriebe?

Gehrig: Wie begleiten und coachen. In unseren Bildungsakademien haben die Arbeitgeber die Chance, sich und ihre Beschäftigten weiterzubilden. Hier gibt es nicht nur Meisterkurse, sondern zum Beispiel auch Schulungen zur Personalführung.

Die Arbeitswelt wird immer digitaler. Bei der Entscheidung für einen Beruf spielt das für viele eine entscheidende Rolle. Wie zukunftsfähig sind die Handwerksbetriebe digital aufgestellt?

Gehrig: Das ist sehr unterschiedlich. Doch allgemein lässt sich sagen, dass die Digitalisierung ein Thema in den Handwerksbetrieben ist. Ein Beispiel ist die digitale Lagerhaltung. Dazu gehört auch die Unternehmenssoftware, die nicht nur Fakturierungs- und Buchhaltungsfunktionen abdeckt, sondern mit einer automatisierten Materialbeschaffung kluge und schnelle Prozesse möglich macht.
Ein Zukunftsthema wird auch die Robotik sein. Gerade im Hinblick auf die Gesundheitsprävention lassen sich durch Roboter Erleichterungen hinsichtlich körperlicher Aktivitäten erwarten.

Wenn Sie in Glaskugel schauen würden, was würden Sie sehen? Mit welchen Themen werden sich Handwerksbetriebe zukünftig beschäftigen müssen?

Gehrig: Im Bereich der Personalführung wird das Thema Arbeitszeitgestaltung sicher immer wichtiger. Schon jetzt treffen Fragen zur 4-Tage-Woche, zur Flexibilisierung der Arbeitszeit oder zum Umgang mit Überstunden bei uns ein. In diesem Zusammenhang kommen sicher auch mehr Anforderungen hinsichtlich der Kommunikations- und Informationsprozesse auf die Handwerksbetriebe zu.

Vielen Dank, Frau Gehrig, für das sehr interessante Gespräch!

Von Holger Hagenlocher