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Ist Steno tot?

In der heutigen Zeit der Digitalisierung und Technologie könnten manche traditionelle Fähigkeiten wie die Stenografie überholt wirken. Doch obwohl PCs und Tastaturen das Büroleben dominieren, bleibt die Stenografie in bestimmten Berufen weiterhin relevant. Zum Beispiel im baden-württembergischen Landtag, wo Stenografen die Redebeiträge notieren, oder im Gerichtswesen zur schnellen Protokollierung. Obwohl digitale Technologien die Notwendigkeit handschriftlicher Notizen reduzieren, bleibt die Stenografenbranche aktiv, mit jährlichen Wettbewerben und Veranstaltungen. Die Stenografie mag nicht mehr so verbreitet sein wie früher, aber sie ist immer noch lebendig.
Veröffentlicht am 02.09.2023
Bild: robynmac – stock.adobe.com

Wir leben in einer Zeit, in der im Berufsalltag moderne Technologien und digitale Kommunikation allgegenwärtig sind. Da sei die Frage erlaubt, ob traditionelle Fähigkeiten wie Stenografie überhaupt noch eine Rolle spielen. Nachdem die Kunst des schnellen Schreibens ganze Generationen von Sekretärinnen, Journalisten und anderen Berufsgruppen, die viel notieren und schriftlich festhalten mussten, ausgezeichnet hat, scheint die so genannte Engschrift inzwischen vom Aussterben bedroht. Dennoch gibt es auch heute noch Berufe, in denen sie nicht wegzudenken ist.

PC und Tastaturen statt Papier und Stift

Kurzschrift, Schnellschrift, Tachygraphie, Phonographie und Redezeichenkunst sind Synonyme für die aus einfachen Zeichen gebildete Abbreviaturschrift. Sie heißt so, weil sie schneller als die herkömmliche „Langschrift“ – also das Ausschreiben von ganzen Wörtern und Sätzen – notiert werden kann. Einst war sie ein wichtiges Einstellungsmerkmal, doch mit der Entwicklung von Computern, Smartphones und Spracherkennungssoftware hat sich die Art und Weise, wie Informationen aufgezeichnet und kommuniziert werden, stark verändert. Die meisten Sekretärinnen erledigen ihre Büroarbeiten heute auf dem PC und die meisten Menschen nutzen Tastaturen, um Texte zu verfassen. Wer braucht heute also noch die Fähigkeit, mit wenigen Strichen ganze Worte zu schreiben?

Im Landtag im Einsatz

Tatsächlich gibt es laut dem Deutschen Stenografenbund auch im Jahr 2023 immer noch mehrere Hundert hauptberufliche Stenografen. Sie arbeiten beispielsweise als Parlamentsprotokollanten im baden-württembergischen Landtag, wo sie in Kurzschrift Wort für Wort und Satz für Satz notieren. Pro Sitzungstag sind bis zu zwölf so genannte Turnusstenografen im Einsatz, jeweils zwei pro Plenum. Fünf Minuten lang schreibt der Erste die Worte des Redners mit, der Zweite notiert Zwischenrufe der anderen Abgeordneten. Dann wird durchgewechselt und die Mitschrift binnen einer Stunde in Reinschrift gebracht.

Etliche weitere Anwendungsgebiete

Doch nicht nur im Landtag kommt Stenografie zum Einsatz. Auch im Gerichtswesen oder bei Verhandlungen spielt es eine große Rolle, ob Gespräche und Aussagen genau und schnell protokolliert werden oder nicht. Und wer als Journalist mit einem Interviewpartner zu tun hat, der das Sprechen vor laufendem Aufnahmegerät scheut, sollte in der Lage sein, sich schnell Notizen zu machen. So weit verbreitet allerdings, wie die Kurzschrift früher einmal war, ist sie heute nicht mehr. Spracherkennungssoftware und digitale Aufnahmegeräte reduzieren die Notwendigkeit, von Hand zu schreiben, weiter.

Rege Branche mit Wettbewerben

Nichtsdestotrotz ist die Stenografen-Branche zwar eine kleine, dafür aber sehr rege. So veranstaltet der deutsche Stenografenbund jedes Jahr verschiedene Wettbewerbe in den Disziplinen Kurzschrift, Texterfassung, Textbearbeitung und professionelle Textverarbeitung. Im Mai 2023 fand die Deutsche Meisterschaft im rheinland-pfälzischen Bad Breisig statt. Rund 250 Teilnehmer waren dabei. Der nächste Termin ist der Westdeutsche Stenografentag, der vom 8. bis 10. September dieses Jahres in Ahaus stattfindet. Steno mag aus der Mode gekommen sein. Aber tot ist es noch lange nicht.

Von Heike Thissen